„Mediale Aufmerksamkeit für den Amateursport möglichst hoch halten.“
Dr. Rainer Koch im Interview. Ein echter Insider und Experte spricht zum Thema Amateurfußball und gibt Einblicke in aktuelle Entwicklungen.
Wir freuen uns, als ersten Interviewgast unseres neuen Blogs einen echten Insider, Experten und Richtungsweisenden zum Thema Amateurfußball in Deutschland zu haben. Rainer Koch ist aktuell wiedergewählt als 1. DFB Vizepräsident. In dieser Funktion ist er unter Anderem zuständig für den kompletten Amateurfußball in Deutschland. Gleichzeitig hat er auch hier im Haus des Fußballs in München sein Büro als Präsident des Bayerischen Fußball-Verbands.
Hier im Blog spricht Koch über die anstehenden Herausforderungen, Chancen und Möglichkeiten, die zukunftsweisende Themen wie eSports oder Digitalisierung bieten. Wir freuen uns sehr, diese Einblicke mit euch teilen zu können.
Herr Koch, wo steht der Fußball aktuell und vor welchen Herausforderungen steht er?
Koch: Der Amateurfußball wird von einigen Kritikern gerne ins Grab geschrieben und verbal beerdigt. Dabei ist der Fußball weder tot, noch liegt er auf der Intensivstation. Aber er hat einige Blessuren und Krankheiten davongetragen, das Image hat gelitten, Vereine und Verbände stehen vor großen Herausforderungen. Trotz einer Rekordzahl von über sieben Millionen Mitgliedern im DFB spielen heute deutlich weniger Mannschaften und Spieler als noch vor wenigen Jahren in Deutschland Fußball. Auch wenn wir aktuell noch 25.000 Fußballvereine in Deutschland haben, dürfen wir den Abwärtstrend nicht ignorieren, sondern müssen anpacken und unserem Sport eine Art Frischzellenkur verpassen.
Dabei geht es darum, dass wir auf das sich stetig verändernde Freizeitverhalten, die Flexibilisierung der Arbeitswelt mit häufigen berufsbedingten Umzügen und die mit der Digitalisierung einhergehenden Veränderungen reagieren. Und wir sind alle aufgefordert, für eine Verbesserung des angekratzten Images zu arbeiten. Die Verbände, die Vereine, die Fans, die Politik, die Gesellschaft. Es schadet dem Image des Fußballs, wenn aberwitzige Geldbeträge für Spielerwechsel und Spielergehälter aufgerufen werden. Es schadet dem Image des Fußballs, wenn er immer wieder mit Gewalt in Verbindung gebracht wird. Es schadet dem Image des Fußballs, wenn Woche für Woche unsere Polizeibeamten beschimpft werden. Es schadet dem Image des Fußballs, wenn der Eindruck entsteht, dass Recht und Gesetz überall im Land gelten, nur nicht in den Kurven unserer Stadien.
Wie lässt sich die Begeisterung für den Fußball wieder steigern und das angekratzte Image aufpolieren?
Koch: Wichtig ist es, die mediale Aufmerksamkeit für den Amateursport möglichst hoch zu halten. Nur wer im öffentlichen Interesse bleibt, schafft es auch, attraktiv und erfolgreich zu sein. Mit der großen Livekonferenz der 21 Landespokal-Finals am Finaltag der Amateure haben der DFB und die ARD gemeinsam ein einmaliges Produkt entwickelt, das die herausragenden Leistungen der Amateurfußballer in ganz Deutschland ins Schaufenster stellt. Und der Zuspruch zeigt, dass die Entscheidung, die Landespokalendspiele und das DFB-Pokalfinale am selben Tag auszutragen, goldrichtig war. Schließlich ist der Pokal der Wettbewerb aller knapp 25.000 Vereine in Deutschland. Wir können so die Einheit des deutschen Fußballs auf tolle Art und Weise zeigen. Das ist nur ein Beispiel.
In Bayern sind zudem dank unserer Kooperation mit Sporttotal.tv jedes Wochenende um die 100 Spiele aus dem Amateurfußball live zu sehen – aus der Regionalliga Bayern, den Bayern- und Landesligen, aber auch aus den Bezirksligen. Wenn wir uns die allgemeine Tendenz ansehen, ist es aber gleichzeitig auch wichtig, dass Inhalte nicht nur bei großen Playern wie der ARD oder SPORT1 zu sehen sind, sondern möglichst kompakt dargestellt werden und am besten sofort über zahlreiche Kanäle verfügbar sind.
Immer beliebter werden kurze Formate wie Highlight-Videos, kurze Spielberichte, oder Hintergrund-Berichte, auch Kurioses wird konsumiert. Wahre und emotionale Geschichten gibt es im Amateurfußball schließlich zuhauf. Der Amateursport im Allgemeinen holt im Vergleich zum Profisport auf, da die technischen Möglichkeiten immer besser werden und so auch „Laien“ als Content-Produzenten leichter zum Einsatz kommen. Für die Verbände gilt es, dieses Riesenpotenzial zu bündeln und gesammelt darzustellen.
Short Facts
- Alle 21 Pokalendspiele der Landesverbände finden zentral an einem Tag statt
- Alle Sieger qualifizieren sich für den DFB-Pokal
- POKAL TOTAL in der ARD: Übertragung aller Finals in drei Live-Konferenzen
- Mehr Infos und Einblicke zum bayerischen Toto-Pokalfinale gibt es hier
- Vermarktungsrechte inkl. Möglichkeit der LED-Bandenwerbung durch die BFV Service GmbH.
Ihr Ansprechpartner ist Dennis von Malottke
Der BFV ist der mitgliederstärkste Landesverband im DFB
Sie hatten bereits angesprochen, dass auch das Freizeitangebot immer größer geworden ist und die moderne Arbeitswelt von den Menschen eine hohe Flexibilität erwartet. Wie kann der Fußball auf diese Umstände reagieren?
Koch: In der Gesellschaft gibt es einen klaren Trend hin zur Eventisierung. Dem kann sich auch der Amateurfußball nicht entziehen. Ich habe mir bereits vor einiger Zeit die Frage gestellt, wie wir wieder mehr Zuschauer auf die Sportplätze locken können. Und ich habe festgestellt, dass sich auch Chancen bieten, wenn wir sie aufgreifen: Es ist doch wesentlich einfacher ein- oder zweimal im Jahr 500 oder gar 1000 Menschen auf den Sportplatz zu locken, auch wenn sonst regelmäßig nur 50 oder 100 kommen, als den Durchschnitt pro Spiel auch nur um 10 oder 20 Zuschauer zu erhöhen. Bei Highlight-Spielen wie den Kreispokal-Finals oder den Entscheidungs- und Relegationsspielen gelingt das ja auch regelmäßig.
Grundsätzlich müssen wir für Highlights im Jahreskalender neben Training und regelmäßigen Punktspielen sorgen und deswegen plädiere ich dafür, einzelne Spiele, z.B. Derbys, gemeinsam besonders zu bewerben. Und vielleicht liege ich in meiner Einschätzung auch gar nicht so falsch, wenn ich sage, dass wir vielleicht schon in wenigen Jahren auch im Fußball wie schon längst beim Handball, Volleyball, Eishockey oder Basketball über die Einführung von Play-off-Spielen nachdenken werden.
Seit kurzem engagiert sich der BFV auch im „eFootball“. Welche Chancen bietet aus Ihrer Sicht der digitale Fußball?
Koch: Wenn der Fußballklub weiterhin für junge Menschen attraktiv bleiben will, muss er sich an den Bedürfnissen junger Menschen orientieren und die Realitäten akzeptieren, anstatt sie zu negieren und weiter stur im Gestern zu leben. Viele Kinder spielen heute nicht mehr nur Fußball auf dem Bolzplatz – und schon gar nicht mehr rund um die Uhr. Smartphones und Computer sind zum ständigen Begleiter unserer Jugend geworden, ob uns das nun gefällt oder nicht. Und deshalb ist es aus meiner Sicht eine schöne Sache, dass man unser Fußballspiel virtuell fortsetzen kann.
FIFA ist in meinen Augen letztlich nichts Anderes als das moderne Tipp-Kick! Wir unterstützen nicht jede Form von eSports, sehr wohl aber in Übereinstimmung mit dem DOSB alle Formen von virtuellen Fußball-und anderen Sportsimulationen.
Wir erkennen, dass viele unserer aktiven Fußballer und Fußballerinnen auch an der Konsole spielen und gegeneinander antreten wollen, deshalb stellt sich für uns eine ganz wichtige Frage: Schauen wir einfach zu, wie andere mit der virtuellen Spielform von Fußball Angebote organisieren und sich dort früher oder später Parallelstrukturen bilden? Oder nehmen wir es selbst in die Hand? Ich meine, wir sollten im Verein und Verband für alles zuständig sein, was mit Fußball zu tun hat und deshalb ist eFootball für uns Fußballer ein Thema! Wer das in Frage stellt, lebt an der Realität vorbei.
Der Bayerische Fußball-Verband hat jüngst seinen Internet-Auftritt komplett überarbeitet. Wie wichtig ist die Digitalisierung generell im Amateurfußball?
Koch: Die Digitalisierung hat unsere Gesellschaft bereits grundlegend verändert, sie wird das auch weiterhin tun und auch vor dem Fußball nicht Halt machen. Auch wir müssen den „Ball ins Netz“ bringen, um unseren Amateurfußball sichtbar, modern und attraktiv für unsere jungen Spielerinnen und Spieler und für unsere Zuschauer gestalten.
Ob im Spielbetrieb, in der Talentförderung, in der Trainerausbildung – überall bilden wir unsere Angebote digital sowie mobil ab und streben danach, die Online-Medien noch besser und zielgerichteter einzusetzen, um das Image des Amateurfußballs und den Erlebniswert für unsere aktiven Fußballer und die Fans zu erhöhen.
Wir müssen den Amateurfußball zeitgemäß präsentieren und den Vereinen Lösungen an die Hand geben. Das ist der Auftrag an den DFB und seine Landesverbände! Wir sind Dienstleiter für unsere Vereine – so verstehe ich unsere Arbeit. Ein Meilenstein ist hier nicht nur unsere neue, endlich auch mobil-optimierte Website, sondern auch unser neue Team-App.
Welcher Trainer hätte vor ein paar Jahren daran geglaubt, dass er sein Team mal vom Sofa aus managen kann: Den Kader fürs Spiel nominieren? Die Startelf bestimmen? Die Taktik fürs Spiel festlegen? All das ist mit nur wenigen Klicks über die App zu managen. Welcher Schiedsrichter hätte gedacht, dass er nach Spielende auf die Liveticker-Daten für seinen Spielbericht zugreifen kann? Kein Spieler hätte es für möglich gehalten, dass seine Leistungsdaten gebündelt in seinem Spielerprofil dargestellt oder seine schönsten Tore im Liveticker oder in den Sozialen Medien zu sehen sein werden.
Und ich rede hier nicht von der Bundesliga, sondern von der Bezirksliga oder der B-Klasse! Wir müssen diesen innovativen Weg weitergehen, weil er der einzig richtige ist, wenn wir auch in 20 Jahren noch Amateurfußball spielen und erleben möchten.
Die digitalen Plattformen des BFV
Ein Schwerpunkt der neuen Website ist das Thema Login und Profilbildung. Welches Ziel verfolgt der BFV damit?
Koch: Die neuen Features ermöglichen es den Nutzern, die BFV-Homepage zu ihrer persönlichen Fußball-Homepage zu machen, indem sie kostenlos ein Fan-, Spieler- oder Schiedsrichterprofil anlegen und entsprechend die für sie relevanten Inhalte angezeigt bekommen. Die Nutzer finden in ihren Profilen auch ihre kompletten Spieler- bzw. Einsatzstatistiken wie Einsatzzeiten, Wechsel oder auch Tore. Sie entscheiden, was angezeigt wird. Das Profil lässt sich mit eigenen Daten wie persönlichen Erfolgen und einem Foto ergänzen.
Wir wollen die digitale Heimat des Amateurfußballs in Bayern sein, jeder soll sich bei uns wiederfinden und das nutzen, was zu ihm passt.
Herr Koch, vielen Dank für das Interview.